Wien wächst, und gleichzeitig stehen Räume für Wohnen, Kultur, Bildung und Gewerbe leer. Eine Allianz mehrerer Wiener Institutionen bringt mit einer Veranstaltungsreihe im Herbst das von der Politik gemiedene Thema Leerstand in die Öffentlichkeit.
Das Thema Leerstand gerät heute zunehmend in den Mittelpunkt der Diskussion um eine gerechte Raumnutzung, wird aber gleichzeitig von Politik und Verwaltung gerne vermieden. Bundesländer wie Salzburg und Tirol sind aktiv in punkto Leerstandsabgaben, während Wien sowohl bei der Erfassung als auch bei Maßnahmen zur Nutzung von Leerstand zurücksteht.
2024 formiert sich eine breite Allianz aus mehreren Wiener Institutionen, die die Erfassung und Nutzung von Leerstand in Wien an die breite Öffentlichkeit vermitteln will:
- Allianz für Substanz
- Architekturzentrum Wien
- IG Architektur
- IG Kultur Wien
- Kammer der Ziviltechniker:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Ausschuss Wohnbau und Leistbarkeit bzw. Ausschuss Nachhaltiges Bauen und Kreislaufwirtschaft
- ÖGFA (Österreichische Gesellschaft für Architektur)
Die Veranstaltungsreihe “Leerstand nutzen!” widmet sich im Herbst 2024 als Kooperation dieser Institutionen in drei Paneldiskussionen den Leerstandstypologien Wohnbau, Erdgeschoß und Gewerbebauten. Diese Leerstandstypologien werden in je einer öffentlichen Paneldiskussionen thematisiert. Adressiert wird die Erfassung und Nutzung von Leerstand in Wien im Gebäudebestand und auch die proaktive Integration leistbarer Kulturräume und Kleingewerberäume als strategisches Werkzeug der Stadtentwicklung. Wie kommt man zu verlässlichen Leerstandszahlen, und welche Push- bzw. Pull-Maßnahmen können zur Vermeidung von Leerstand können geschaffen werden?
Wohnbau
Die Erfassung und Nutzung leerstehender Wohnungen bzw. aktivierbaren Leerstands für Wohnen in Wien erweitert das Angebot am Wohnungsmarkt und dessen Vielfalt. Dies senkt die Preise der angebotenen Wohnungen und erhöht die Leistbarkeit des Wohnens. Darüber hinaus führt die Nutzung von Wohnungsleerstand auch zu einem geringeren Neubauvolumen und Infrastrukturausbau, was Energie- und Ressourcenaufwand, aber auch den Flächenverbrauch und die Bodenversiegelung verringert. Damit reduzieren sich – ganz im Sinne von Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft – die negativen Auswirkungen des Neubaus wie etwa der CO2-Ausstoß oder die Einschränkung der Biodiversität. Die Nutzung bestehender Gebäudesubstanz schafft zudem eine erhöhte soziale Nachhaltigkeit im Wohnungsbestand sowie eine gesteigerte Identifikation mit der gewachsenen Identität eines Orts.
Erdgeschoß und Gewerbebauten
Sowohl leerstehende Erdgeschoßzonen wie auch Gewerbebauten in Wien bieten Potentiale für neue Nutzer*innen. Dabei gilt es, die mannigfaltigen Raumbedarfe unterschiedlicher Kulturschaffender und Vereine und des neuen Handwerks (neue Selbstständige) differenziert in den Blick zu nehmen – Stichwort leistbare Arbeitsplätze, Veranstaltungsräume, Werk- und Probenräume. Themen der Innovation und Umnutzungen wie auch der Exnovation und des ressourcenschonenden Rück- und Umbaus müssen dabei angesichts der Klimakrise mit im Fokus stehen. Wie kann die Nutzung von Leerstand attraktiviert werden – für Nutzer*innen, Betreiber*innen (Vereine oder Unternehmer*innen) und für die Stadtpolitik? Welche Förderungen und Querfinanzierungen sind denkbar, um alltagskulturelle, nicht gewinnorientierte Praktiken (Kulturvereine, Kulturschaffende) zu ermöglichen, aber auch Klein- und Mittelbetriebe? Welche Zirkelschlüsse zwischen der Aktivierung von Leerständen in den Bereichen Wohnen, Erdgeschoßzone und Gewerbebauten können genützt werden? Inwieweit ermöglichen es stadtentwicklungspolitische Strategien (z.B. Ankerzentrenstrategie), eine demokratische Stadtentwicklung an der Schnittstelle von Kultur, Architektur und Wirtschaft zu fördern?
“Leerstand nutzen!” regt damit nun auch in Wien die eine wichtige politische Debatte an, Leerstand zu erfassen und zu aktivieren. Im Vorfeld der Landtags- und Gemeinderatswahl 2025 soll so die Nutzung von Leerstand als politisches Thema platziert werden.
Im Rahmen der geplanten Paneldiskussionen mit Expert*innen aus Politik, Verwaltung, Interessensvertretung, Planung, Projektentwicklung, Forschung und Kultur sollen neben konkreten Zielsetzungen zur Erfassung und Nutzung von Leerstand in Wien auch Potenziale der Leerstandsnutzung durch internationale Fallbeispiele diskutiert werden.
Termine der Paneldiskussionen sind:
Mi. 23.Oktober 2024: Leerstand im Wohnbau
Fr 08.November 2024: Leerstand im Erdgeschoss
Mi 23. November 2024: Leerstand in Gewerbebauten
Die Veranstaltungen finden jeweils um 18 Uhr in den Räumen der Alten WU (Augasse 2-6, 1090 Wien) statt.
Bei einem Pressegespräch werden das Programm und ein Forderungskatalog für die Nutzung von Leerstand in Wien vorgestellt.
Datum: 15.10.2024, 10.00 Uhr
Ort: IG Architektur, Gumpendorfer Straße 63B, 1060 Wien