Der vergangene Bergsommer gibt die Richtung für die kommenden Jahre wohl dramatisch vor: Durch die Klimakrise vermehrt auftretende Extremwetterereignisse wie Starkregen und Stürme häufen sich und setzen den heimischen Alpenvereinshütten und Wanderwegen mehr und mehr zu. Die Instandhaltungskosten sind schon jetzt massiv gestiegen und ohne das geforderte Rettungspaket für den Österreichischen Alpenverein nicht mehr zu stemmen. Dass sich immer weniger ehrenamtliche Helfer finden, die sich um die Instandhaltung der Wege kümmern, verschärft die Lage zusätzlich. Der Österreichische Alpenverein setzt deshalb auf den Trend des „Microvolunteering“ und bietet Möglichkeiten für kurzfristige Einsätze ohne langfristige Verpflichtungen. Aufgrund des mäßigen Wetters verzeichnen die Alpenvereinshütten für den Sommer 2024 im Vergleich zum Vorjahr weniger Tagesgäste – die Zahl an Nächtigungen blieb in etwa gleich.
„Die Starkwetterereignisse im September haben alpinen Wanderwegen und Hütten in ganz Österreich immens zugesetzt und geben einmal mehr einen bitteren Vorgeschmack, worauf wir uns in den kommenden Jahren am Berg einstellen müssen“, zeigt sich Alpenvereinspräsident Wolfgang Schnabl alarmiert. Laut Alpenverein vervielfachen die Auswirkungen der Klimakrise die ohnehin beschwerliche Arbeit und die Kosten für die Instandhaltung der Hütten und Wege. Immer häufiger kommt es zu schweren Schäden, zusätzlich sind die Baukosten in den letzten Jahren stark gestiegen.
Instandhaltung wird zur Mammutaufgabe
„Unwetter wie jene im Herbst ziehen die Wege zunehmend in Mitleidenschaft – Muren, Hangrutsche, Felsstürze, aber auch Lawinen haben oft verheerende Auswirkungen auf die alpine Infrastruktur. Zuletzt hat uns besonders der Starkregen gefordert, der Wege unterspült und teils regelrecht weggerissen hat“, informiert Schnabl. Und weiter: „Das Wegenetz unter solchen Umständen auf ehrenamtlicher Basis instand zu halten, wird für uns zur Mammutaufgabe“. Auch die Hütten sind laut Alpenverein erheblich von den Starkwetterereignissen betroffen, Tendenz steigend: Fälle, in denen Dächer durch Stürme abgedeckt oder Fassaden durch Hagelschäden zerstört werden, häufen sich.
Kosten für Wegeerhaltung rasant gestiegen
Der Österreichische Alpenverein musste sein reguläres Budget zur Instandhaltung von Wegen in den letzten zehn Jahren verdoppeln. Der Katastrophenfonds des Alpenvereins für unterjährig auftretende Soforthilfemaßnahmen musste in den letzten sechs Jahren versechsfacht werden. Wolfgang Schnabl verweist auf die laufende Kampagne „Notruf aus den Alpen“. Vor diesem Hintergrund fordert der Alpenverein mit den alpinen Vereinen Österreichs ein finanzielles Rettungspaket in der Höhe von 95 Millionen Euro von der Bundesregierung. Nur ein solches kann laut Alpenverein die Bedingungen schaffen, um Schutzhütten und Wanderwege für alle Erholungssuchenden am Berg weiterhin zu erhalten. Über 93.000 Personen haben bereits die von den alpinen Vereinen gestartete Petition unter notruf-aus-den-alpen.at unterschrieben.
Wegewarte dringend benötigt
„Für die Wegebetreuung finden wir leider immer weniger Ehrenamtliche, gerade in dieser turbulenten Zeit würden wir helfende Hände aber dringender denn je benötigen“, weiß Georg Unterberger, Leiter der Abteilung Hütten und Wege im Alpenverein und erklärt: „Einerseits ist die Arbeit der Wegewarte natürlich körperlich sehr fordernd, zudem ist die Verantwortung, die Wegewarte zu tragen haben, größer als in manch anderen ehrenamtlichen Bereichen.“ Im Österreichischen Alpenverein sind rund 1.000 Ehrenamtliche tätig, die 26.000 km Wege in Schuss halten. Ohne ihre Arbeit wäre die Instandhaltung des Wegenetzes in Österreich nicht möglich. Diese Wegewarte sind es, die in ihren Arbeitsgebieten mit den tiefen Spuren der Klimakrise umgehen müssen.
„Microvolunteering“ – kurzfristige Einsätze an Österreichs Wanderwegen
Hinzu kommt laut Unterberger, dass sich Menschen immer seltener für längerfristige Aufgaben binden wollen: „Wir haben einige Wegewarte, die bereits seit Jahrzehnten als Ehrenamtliche im Alpenverein tätig sind. Besonders für junge Menschen passt aber eine solche langfristige Bindung nicht mehr ins Lebenskonzept.“ Genau aus diesem Grund bieten zahlreiche Alpenvereinssektionen Möglichkeiten für kurzfristige Einsätze an Wegen an. Interessierte können beispielsweise tageweise mithelfen und unter Anleitung erfahrener Wegewarte einen Beitrag zur Instandhaltung des Wegenetzes leisten. „Für jeden lässt sich eine passende Aufgabe finden. Die Alpenvereinssektionen freuen sich über jede Unterstützung“, weiß Unterberger.
Verbindlichkeit des Personals oft nicht mehr gegeben
Auch auf den Hütten tendiert man zu kürzeren Saisonjobs, langfristige Einsätze werden seltener. „Vor allem die Kontinuität und Verbindlichkeit des Personals über die Saison ist ein Problem“, erklärt Unterberger. „Viele haben eine falsche Vorstellung darüber, wie der Arbeitsalltag auf einer Hütte aussieht. Wenn dann Mitarbeiter während der Saison ihre Arbeit überraschend frühzeitig beenden, stehen die Hüttenpächter ohne Personal da. Manche Pächter sind deshalb dazu übergegangen, ihre Aushilfskräfte nur mehr für einen Monat zu engagieren und planen aktiv einen Wechsel dieses Personals während der Saison ein.“
Auch die Pächterfamilien, die die Hütte von Generation zu Generation weitergeben, werden weniger. Pächter bewirtschaften eine Hütte immer kürzer, bevor sie sich wieder anderen Aufgaben widmen. Die Gastrobranche leide laut Unterberger nicht nur im Tal, sondern auch auf den Hütten an einem Imageproblem. Um diesen Problemen entgegenzuwirken, ist der Alpenverein vermehrt auf Berufsmessen unterwegs und informiert über die Arbeit auf Alpenvereinshütten.
Weniger Tagesgäste im Sommer 2024
Zahlreiche Schutzhütten des Österreichischen Alpenvereins haben die Saison bereits beendet, spätestens Ende Oktober schließen auch in tieferen Lagen die meisten Hütten. „Genaue Gästezahlen bekommen wir immer erst am Ende des Jahres. Wir können aber jetzt bereits sagen, dass im vergangenen Sommer weniger Tagesgäste unsere Hütten besucht haben als noch im Vorjahr. Die Anzahl der Nächtigungsgäste blieb in etwa gleich“, erklärt Georg Unterberger. „Aufgrund der instabilen Wetterlage zu Beginn der Saison verbuchten die Hütten schon in den ersten Wochen weniger Gäste. Der schneereiche letzte Winter machte zudem manche Wege erst sehr spät passierbar. Und der Wintereinbruch im September beendete die Saison für viele Hütten frühzeitig.“